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Über größenwahnsinnige Kommunalpolitiker

Ich stamme aus Magdeburg. Eine eher kleine Großstadt an der Elbe mit großer Geschichte und mäßiger Gegenwart, trotz Landeshauptstadt und Universität. Im Stadtbild Überreste der früher bestimmenden Schwerindustrie, eine Handvoll historische Gebäude und ein romanisches Kloster, welches längst kein Kloster mehr ist sondern Kunstmuseum und Konzerthalle mit schauerlicher Akustik. Sehenswürdig ist der Dom, 1363 geweiht und früheste fertig gestellte Kathedrale der Gotik auf deutschem Boden. Ansonsten viel Durchschnitt und wenig Großartiges – in einer Stadt, die in zwei Kriegen nahezu komplett zerstört wurde und beim Wiederaufbau hochfliegende, aber städtebaulich höchst fragwürdige Visionen verfolgte. So führten die Wiederaufbaupläne Otto von Guerickes nach dem Dreißigjährigen Krieg zu schnurgeraden, breiten Straßenschneisen, die sich bis heute durch eine technokratische Anmutung auszeichnen. Auf die verheerenden Zerstörungen kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges folgten monumentale Großbauten im Stile des sozialistischen Klassizismus, dazu riesige Aufmarschstraßen und Aufmarschplätze für Großkundgebungen. Einhergehend mit dem Abriss vieler Kirchen entledigte man sich seines historischen Erbes und des gewachsenen Stadtgrundrisses gründlich. Glücklicherweise verhinderte die planvolle Mangelwirtschaft die allerschlimmsten Auswüchse und auf den freigelassenen Flächen entwickelte sich üppiges Stadtgrün, was zumindest aus heutiger Sicht etwas durchaus Versöhnliches hat.

Magdeburg ist bis heute eine Stadt mit Brüchen und Lücken, besonders in der Innenstadt. Von den ehemals kleinteiligen Quartieren blieb viel freie Fläche, überdeckt von Rasen und Baumkarrees. In der Goldgräberzeit der 1990er Jahre verwüsteten Investoren die Stadt mit aneinandergereihten Einkaufzentren, autogerecht erschlossen für Konsumenten, die zur Erfüllung ihrer Konsumbedürfnisse gar keine Stadt brauchen, werden doch alle Wünsche im Inneren der Center erfüllt. Die entstandene Leere im öffentlichen Stadtraum versucht man derweil mit allerlei Festen und Events zu übertünchen. Die Innenstadt hat drei besondere Stadtplätze. Am südlichen Rand der Hasselbachplatz, ein sternförmiger, gründerzeitlicher Verkehrsplatz, der sich in den letzten Jahren zu einem Zentrum des Kneipen- und Nachtlebens entwickelt hat. Der Domplatz mit barocker Prachtbebauung, in der heute der Landtag untergebracht ist. Mittig der Alte Markt mit dem Rathaus, der zentrale Platz, dem allerdings das Zentrum fehlt. Für ihn gibt es jetzt eine Vision. Er soll zu dem herausragenden Ort der Stadt werden. Und so zitierte die örtliche Tageszeitung Volksstimme am 28.02.2018 einen Stadtrat mit den Worten: „ich hoffe, dass es bis zum Kulturhauptstadtjahr einen Alten Markt gibt, wie ihn Paris nicht hat.“

Oha. Ein Platz, wie ihn Paris nicht hat. Ein großer Vergleich.

Deshalb ein Blick in die Erinnerungskiste des letzten Parisbesuchs. Da wäre der königliche Place de Vosges, wundervoll mit seinen Arkaden und Statuen, schattenspendenden Bäumen und großzügigen Rasenflächen. Da wäre der Place Vendome, auch ein königlicher Platz, mit prunkvollen klassizistischen Stadthäusern und der Triumph-Säule. Da wäre der Place de la Concorde, der größte Platz in Paris, verkehrsumtost und gleichzeitig prachtvoll. Da wäre der Place Igor-Stravinsky mit dem Stravinsky-Brunnen, dessen wundersame, wasserspeiende Figuren von Jean Tinguely und Niki de Saint Phalle an die Werke des Komponisten erinnern. Da wäre der Place de la Republique, nicht der schönste, aber der bedeutendste Platz für die Pariser Stadtgesellschaft und seit seiner verkehrsberuhigten Umgestaltung auch wieder alltäglich erfahrbar. …

Paris ist die Stadt der Plätze. Sie sind prachtvoll und prunkvoll, verspielt und lebendig, erlesen und einzigartig. Sie sind steingewordene Geste des Stolzes der Könige und der bürgerlichen Stadtgesellschaft.

Ein Alter Markt in Magdeburg, wie ihn Paris nicht hat? Der Alte Markt als kultureller Höhepunkt der Kulturstadtbewerbung? Tatsächlich ein hoher Anspruch. Für den internationalen Wettbewerb, unter dem geht es bei diesem Anspruch nicht, haben die Stadträte schon Vorschläge gemacht: „breitere Gehwege, neue Sitzgelegenheiten, Platz für Außengastronomie, Parkverbote, Beleuchtungskonzept, Stromversorgung für Märkte Events, Kunstwerke, neue Oberflächengestaltung, Begrünung“. Inspirierend klingt anders.

Doch ist der Alte Markt eigentlich ein besonderer, herausragender Platz? Historische Fotos zeigen einen typischen Marktplatz, einheitlich gepflastert, die Straßenbahn querte den Platz, in den Gebäuden Geschäfte und Cafés. Nichts Besonderes. Seine Qualität zog der Platz aus den kleinteiligen, barocken Bürgerhäusern, dem Rathaus und dem Gewirr der angrenzenden Straßen und Gassen. Mit den biederen Nachkriegsfassaden der 1950er Jahre kann der Platz diese Qualität schwerlich erreichen. Schlimmer ist aber, dass der Alte Markt nicht mehr in den Stadtgrundriss eingebettet ist. Kein Gewirr von Straßen und Gassen mit geschäftiger Eile, von dem aus man in die Freiheit des Platzes entlassen wird. Statt dessen Straßenzüge ohne Gebäude, große unbebaute Flächen mit Parkplatzödnis und Rasentristesse, die allenfalls als Hundewiese und für den Weihnachtsmarkt nützen. Hinter der historischen Rathausfassade ein Zweckbau, der der geneigten Besucherin die letzte Lust auf die Stadt nimmt. Und überall Zugluft, die von der Elbe bis zum Bahnhof kräftig und ungehindert durch die Straßenschneisen pfeift.

Plätze leben vom Wechselspiel zwischen Gebautem und Nichtgebautem. Plätze leben von der Inszenierung der Übergangszonen zwischen Öffentlichem und Privatem durch Geschäfte und Cafés, all das möglichst kleinteilig der Vielfalt wegen. Plätze erfordern eine grundsätzliche Festlegung, welchem Zweck sie dienen sollen. Erst diese Festlegung eröffnet Möglichkeiten für Besonderes. Plätze, die alles können sollen, sind selten besondere Plätze. Und die Oberflächengestaltung? Sie ist wichtig, aber letztlich nicht entscheidend dafür, ob ein Platz zu einem herausragenden Platz wird. Das zeigt sich an einigen, in den letzten Jahren aufwendig realisierten und dennoch öden Plätzen. Dazu immer wieder der Widerspruch zwischen vermeintlicher Belebung von Plätzen durch Großevents und alltäglicher Belebung. Das ist nicht nur, aber eben auch eine wirtschaftliche Frage. Wenn für die Events und Märkte die Bestuhlung weichen muss, gehen den Betreibern überlebenswichtige Einnahmen verloren. Und als Gast muss ich mir dann andere Plätze suchen udn komme eventuell nicht wieder.

Deshalb lohnt der Blick auf den Domplatz. Für viel Geld sehr aufwendig umgestaltet – mit Wasserspiel, Bäumen, Bänken, um ihn jeden Sommer für zehn Wochen mit einem Freilufttheater samt wenig ansehnlicher Stellagen und Zäune zu überbauen, so dass alle zaghaften Bemühungen der Belebung im Keime erstickt werden.

Der Anspruch, einen Marktplatz zu erschaffen, wie ihn Paris nicht hat, ist nicht nur vermessen, er ist falsch. Zu wünschen wäre Magdeburg einen Marktplatz, der den Bürgerinnen und Bürgern Raum gibt, der einlädt und seine Geschichte nicht verleugnet. Ein Platz, der aus dem wilden Konglomerat beliebig gestalteter Flächen und Bauwerke wirklichen Stadtraum schafft und die Stadt an dieser Stelle repariert. Dafür braucht es Mut, auch zur Bebauung der umliegenden Flächen, damit ein Platz entsteht, der zu Magdeburg passt. Denn das lässt sich von Paris in jedem Fall lernen: Plätze müssen zur Stadt passen und nicht umgekehrt. Ein möglicher Weg wäre ein zunächst städtebaulicher Wettbewerb für das Marktquartier zwischen Breitem Weg, Jacobstraße, Ernst-Reuter-Allee, und Julius-Bremer-Straße. Die Diskussion über die konkrete Gestaltung der Flächen sollte hingegen noch etwas warten.

Über Lindenbäume

Dass Münster die Hauptstadt der Fahrradfahrenden ist, wusste ich. Wirklich überrascht war ich aber von den vielen Lindenbäumen in der Stadt. Linden, nahezu überall und reichlich. Die Linde ist ja nicht ganz einfach als Stadtbaum, auch wenn sie sich stadtklimatisch meist gut eignet und die perfekte Bienenpflanze ist. Aber Blattläuse lieben Linden leider auch und der Honigtau, den sie absondern, ist eine ziemlich klebrige und unangenehme Sache: färbt Bodenbeläge, verklebt Bänke, den Autolack und auch die Fahrräder. Doch nichts geht über den betörenden Lindenduft zur Blütezeit im Juni und Juli, der mich immer ganz schummrig im Kopf macht. Wunderbar. Und so spazierte ich durch Münster, staunte darüber, wieviele Fahrradfahrer in eine Stadt passen und wie gemütlich das trotzdem sein kann und landete schließlich auf dem Domplatz mit seinem merkwürdig verbauten und gestückelten, halb romanischen und halb gotischen Dom, dessen Türme etwas zu breit und zu kurz geraten sind. Auf dem Platz einer der größten und schönsten Wochenmärkte, voller Menschen und sehr entspannt trotz Regen. All das gerahmt von Linden – großen und kleinen, alten und jungen als Baumhaine und frei, schier gar wahllos, verteilt als Solitäre, dazu ein altes Natursteinpflaster. Das war so schön, dass ich mir unweigerlich die Frage stellen musste, warum manch neuer Platz trotz aufwendiger Planung so trostlos daherkommt? Neigen wir dazu, alles totzuplanen und  sollten wir bei den Bäumen nicht einfach mutiger sein? Dann tropft es eben.

Wenn Wasserfontänen Dächer bekommen

Da wird erst großflächig schwarzes Basaltpflaster verlegt und Schatten gibt es auch keinen auf dem weitgehend freien Platz ohne Bäume. Möglicherweise hat man sich gewundert, dass es trotz einiger Fontänen auf dem Platz heiß wird, zumal bei über 30 ° C wie in den letzten Tagen. Und damit die Kinder und ihre Eltern keinen Hitzschlag bekommen, gibt es ein Dach.

Was für ein grandioser Blödsinn. Mann sollte sich planerisch vorher überlegen, ob und wie ein Platz genutzt werden soll.